Ich habe nie gern gelesen. In der Schule war ich der Typ, der sich Inhaltsangaben der zu lesenden Bücher für den Englisch- oder Deutschunterricht heruntergeladen hat. Das schien mir effizienter, weil mich weder Emilia Galotti noch Macbeth interessiert haben. Heute sehe ich das anders, denn viele Impulse, die ich aus guten Büchern gewinne, helfen mir dabei, neue Themengebiete zu erschließen und Fehler zu vermeiden, die Andere vor mir bereits gemacht haben.
Kennst du diese Menschen, die in einer Diskussion einwerfen „Das ist super spannend, dass du das sagst, neulich habe ich in Buch XY gelesen, dass…“? Ich gebe zu, dass das nervig sein kann, in den meisten Fällen wecke ich aber das Interesse des Gegenübers. Und gerade weil ich so viele Bücher weiterempfehle und verschenke, möchte ich an dieser Stelle mit euch teilen, warum und wie ich meine Haltung zum Lesen radikal geändert habe.
Außerdem gebe ich euch ein paar Tipps an die Hand, wie ihr es auch schafft, einen kontinuierlichen Lese-Rhythmus aufzubauen. Wenn du darüber schon hinaus bist und es bereits schaffst, viel zu lesen, geht es hier direkt zur Auflistung meiner aktuellen Buchempfehlungen.
Lebenslanges Lernen – aber bitte flexibel!
Gähn! Wieder so ein nichtssagendes Buzzword. Okay, dann fange ich mit einem Beispiel an. Ich kenne einen Buchhändler, der mit dem Gedanken spielt, sich als rund 30-jähriger Familienvater zu einem Software-Entwickler ausbilden zu lassen. Das ist die Realität. Die Digitalisierung und Automatisierung unserer Lebensbereiche ist in vollem Gange. Ich sehe die Entwicklung als Chance für unseren Wohlstand mit einer Folge, dass für viele Menschen individuelle Weiterbildungen in den kommenden Jahren immer wichtiger werden.
Der erste große Vorteil, den Bücher für mich haben, ist, dass sie ein sehr günstiges, zielgerichtetes und flexibles Mittel der Weiterbildung sind. Wenn ich mich für ein Seminar an der Volkshochschule oder sogar ein weiteres Studium einschreibe, muss ich nicht nur Studiengebühren zahlen und viel Zeit investieren, sondern beschäftige mich auch zwangsläufig mit Inhalten, die mich nicht interessieren oder die ich niemals brauchen werde.
Natürlich gibt es viele verschiedene Lerntypen. Ich habe durch das Lesen der Bücher, die ich mir selbst ausgesucht habe, mehr für mich und meinen Weg gelernt als in meinem Studium. Und wenn mir ein Buch nicht gefällt, lese ich es maximal noch bis zum Ende und hake es dann für mich ab. Dann fange ich mit dem nächsten Buch an.

Benjamin Franklin war Erfinder, Unternehmer und einer der Gründungsväter der USA. Er beschrieb eines seiner Erfolgsrezepte als 5-Stunden-Regel. Franklin nahm sich eine Stunde an jedem Wochentag, die er in das „freiwillige Lernen“ investierte. Dazu gehörte zum größten Teil das Lesen. Mehr als 200 Jahre später haben Persönlichkeiten wie Bill Gates, Barack Obama, Warren Buffett, Elon Musk und viele mehr erkannt, dass das Lesen eine sinnvolle Investition in sich selbst ist und die 5-Stunden-Regel übernommen oder adaptiert.
Ich bin der Auffassung, dass das Lesen von Büchern eine sehr effiziente, flexible und günstige Art ist, um mich weiter zu bilden. Was sind nun aber die konkreten Effekte, die das Lesen mit sich bringt?
Neue Impulse durch Bücher
In einem meiner früheren Jobs habe ich mich gelangweilt. Die Aufgaben waren oft die gleichen und ich habe meine Zeit abgesessen, weil mein Chef von meinen Ideen und Verbesserungsvorschlägen eher genervt war. Weil ich auch nicht viel zu tun hatte und die Welt zu der Zeit noch zum großen Teil analog war (keine Smartphones, kein Internet-Arbeitsplatz), habe ich angefangen, mir Bücher mit auf die Arbeit zu nehmen.
Meine Theorie: Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich mich nie so intensiv mit Unternehmertum und Unternehmensgründungen auseinander gesetzt. Für mich wurde das Bedürfnis, mich sinnvoll zu beschäftigen, zu einem Gamechanger. Heute weiß ich, dass ich allgemein in meiner Entwicklung nur weiterkomme, wenn ich mich außerhalb meines „Home Turfs“ mit neuen Dingen beschäftige. Was soll sich auch ändern, wenn ich in meinem Alltag immer nur das Gleiche mache und mich mit den gleichen Dingen beschäftige?
Ich lese Bücher nicht einfach nur, sondern markiere auch die für mich wichtigsten Passagen und nach der Lektüre verfasse ich eine Zusammenfassung. Wenn mir das Buch gefallen hat, erzähle ich vielen Menschen davon. Mir hilft dieses Vorgehen dabei, die Inhalte des Buches bestmöglich zu verinnerlichen und entsprechend der verschiedenen Lernkanäle das gelernte Wissen auch anzuwenden. Die verschiedenen Lernstrategien zeigt dieses Schaubild, dem die Forschungen von Paul John Philipps von der Universität von Texas in Austin und Edgar Dale zugrunde liegen.

Demnach beeinflusst der Aktivitätstyp bzw. die Kommunikationsform, inwieweit wir Inhalte behalten. Während wir nur 10% der Inhalte, die wir lesen, auch behalten, liegt dieser Wert für Inhalte, die wir im Rahmen einer Diskussion erzählen, bei 70%. Daher gibt mir das Lesen immer die ersten Anregungen und neue Perspektiven. Welche Inhalte ich dann wirklich auch anwende, entscheidet sich unterbewusst.
Von Anderen Lernen
In den Medien – besonders in der sogenannten Gründerszene – wird offensiv das Motto propagiert „Fail fast“ und die in Deutschland oft wenig vorhandene Fehlerkultur bemängelt. Ich vertrete die Ansicht, dass es nicht tragisch ist, Fehler zu machen – solange ich einen Fehler nicht zweimal mache. Ich frage mich aber auch, wie wir es schaffen können, Fehler zu vermeiden, aus denen Andere gelernt haben.
Wenn es darum geht, sich neuen Herausforderungen zu stellen, fragen sich viele Menschen intuitiv „Wie mache ich das am besten?“. Die viel wirkungsvollere Frage, die ich mir seit dem Buch Safari des Lebens stelle, ist „WER kann mir dabei helfen?“ Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf der Welt die Aufgabe, vor der du stehst, schon einmal erfolgreich gemeistert hat, ist sehr hoch. Warum solltest du also das Rad neu erfinden?
Daher ist es viel einfacher und effektiver, diesen WER ausfindig zu machen. Und meine Erfahrung bestätigt die Annahme, dass dir auch fremde Menschen gerne helfen und ihre Erfahrungen teilen. Denn anderen zu helfen erfüllt die meisten Menschen enorm. Auch aus diesem Grund gibt es so viele Bücher. Menschen möchten Andere mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen unterstützen.
Eine Büchergenre, das mir dabei hilft, von den konkreten Erfahrungen und Herausforderungen anderer zu lernen, sind Biographien und Autobiographien, die es nicht nur von Personen gibt, sondern auch von Unternehmen. Dabei haben mich im vergangenen Jahr diese drei Bücher besonders beeindruckt und inspiriert:
- „The Hard Thing About Hard Things“ von Ben Horowitz
- „Der Allesverkäufer: Jeff Bezos und das Imperium von Amazon“ von Brad Stone
- „Total Recall“ von Arnold Schwarzenegger
Entspannung und Abschalten
Ein hektischer und vereinnahmender Job führte bei mir dazu, dass mir das Abschalten schwer fiel. Im Laufe der Zeit habe ich für mich entdeckt, dass mir nicht nur Sport dabei hilft, die Arbeit zu vergessen und einen Gang zurück zu schalten. Auch das Lesen hat einen ähnlich positiven Effekt auf meinen Stresslevel. Wenn ich mich für eine Stunde ohne Handy einem Thema hingebe, schalte ich komplett ab und vergesse alles andere um mich herum.
Gerade wenn es darum geht zu entspannen, muss es meiner Meinung nach auch nicht unbedingt trockene Fachliteratur sein. Um diesen Zweck zu erfüllen, können es auch Romane oder Reiseliteratur sein. Ich denke, dass du von jedem Buch, das dich interessiert, etwas mitnehmen kannst.
Ein Beispiel: Zuletzt habe ich ein Buch über die Entwicklung von Säuglingen gelesen, aus dem ich sogar eine wichtige Lektion für meine Arbeitsorganisation mitgenommen habe. So habe ich gelernt, wie der Schlafrhythmus von Säuglingen funktioniert. So kann ich meine Arbeitszeiten entsprechend besser planen und anpassen. (Ich gebe zu, dass Planbarkeit und das Leben mit einem Säugling sich trotzdem nicht gut vereinbaren lassen :-)).
Kontinuierliches Lesen in dein Leben integrieren
Dass dir Lesen bei deiner Entwicklung und Entspannung helfen kann, ist top. Wie schaffst du es jetzt, eine Regelmäßigkeit aufzubauen? Und welche Methoden und Tools können dich dabei unterstützen?
Wie in meinem Beitrag „Routinen statt Vorsätze“ beschrieben, hilft dir der Aufbau nachhaltiger Routinen und Gewohnheiten dabei, deine gesteckten Ziele zu erreichen. Das folgende Vorgehen wird dir dabei helfen:
- Formuliere im ersten Schritt ein erreichbares und spezifisches Ziel. Mein Lese-Ziel für 2020: 30 Bücher lesen.
- Was kannst du tun, um dein Ziel zu erreichen? Ich weiß, dass ich im Monat 2,5 Bücher lesen kann, wenn ich 3 Stunden pro Woche lese. Du bekommst mit der Zeit ein besseres Gefühl für deine Lesegeschwindigkeit und die Dicke der Bücher, die du liest.
- Blocke dir feste Zeiten in deinem Kalender so, wie es für dich passt. Ich lese gerne morgens früh, andere eher abends oder am Wochenende. Mein Tipp: Blocke dir nicht mehr als 90 Minuten pro Lese-Session. Irgendwann sinkt deine Aufmerksamkeit. Ich nehme mir drei Sessions à 1 Stunde pro Woche. Ich plane die Sessions immer am Anfang der Woche für eine Woche.
Wer dieses Vorgehen beherzigt, ist einen Schritt weiter. Meiner Erfahrung nach kannst du auf deinem Weg zum Vielleser aber auch auf ein paar Stolpersteine treffen. Viele davon sind eigene mentale Hürden.
„Ich habe nicht genug Zeit, um zu lesen.“ heißt eigentlich „Ich nehme mir nicht genug Zeit, um zu lesen“, denn wie bei vielen Dingen, kommt es auf deine eigene Priorisierung an. Halte dir den Spiegel vor und frage dich, aus welcher Motivation heraus du mehr lesen möchtest. Außerdem haben einige meiner Freunde und Bekannte gute Erfahrungen damit gemacht, Rüstzeiten für Bücher zu nutzen. In der Bahn auf dem Weg zur Arbeit kannst du genauso gut lesen oder alternativ im Auto oder beim Sport ein Hörbuch hören.
Die richtige Auswahl der Bücher hilft dir dabei, deine Lesegeschwindigkeit zu erhöhen und besser dran zu bleiben. Such‘ dir dafür Bücher aus, die dich brennend interessieren. Für mich ist Abwechslung wichtig. Ich lese selten zwei Bücher hintereinander, die sich thematisch ähneln. Außerdem variiere ich immer zwischen eher anspruchsvollen und eher unterhaltsamen Büchern.
Falls es dir schwer fällt, neue Bücher zu finden, die dich interessieren, kann ich dir zwei Apps empfehlen. Blinkist fasst Bücher zu ihren Kernaussagen – Blinks – zusammen, die du lesen oder als Hörbuch hören kannst. So kannst du 15-20 Minuten in ein Buch hineinschnuppern, um zu entscheiden, ob du das ganze Buch lesen oder hören möchtest.
Ein gutes Beispiel dafür, dass das Konzept der WERs funktioniert, ist Goodreads. In der App kannst du dich mit deinen Freunden connecten, die die Bücher, die sie lesen, bewerten und somit für dich empfehlen. Außerdem kannst du Listen mit Büchern führen, die du gerade liest, lesen möchtest und bereits gelesen hast. So behältst du auch den Überblick darüber, welche und wie viele Bücher du schon gelesen hast.
Um dich mit Anderen zu messen und dein Lese-Ziel öffentlich zu machen, kannst du mit Goodreads an Challenges teilnehmen – bei mir z.B. 30 Bücher in 2020 -, deren Fortschritt von deinen Freunden mitverfolgt wird.
Fazit
Mir ist es wichtig, mich jeden Tag neuen Herausforderungen zu stellen und mich dadurch weiter zu entwickeln. Das Lesen von Büchern ist ein für mich sehr zielführender und günstiger Weg dies zu erreichen. Mir schenken Bücher die Art neuer Impulse und Perspektiven, die ich sonst nur aus Gesprächen mit Freunden, Familie oder Bekannten bekomme.
Ob es, wie bei Franklin, fünf Stunden oder wie bei mir drei Stunden in der Woche sind, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, anzuerkennen, dass eine Lese-Routine eine sinnvolle Investition in dich selbst ist. Mit diesem Gedanken wird es dir einfacher fallen, die Disziplin zu entwickeln, um die für dich sinnvolle Lese-Routine aufzubauen.
Wenn du Anregungen für Bücher zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation und Menschenführung oder Unternehmensaufbau und -entwicklung benötigst, findest du in meiner persönlichen Empfehlung-Bibliothek vielleicht etwas, das dir gefällt.
Mich interessiert brennend, wie du zu dem Thema Lesen stehst, und welche konkreten Empfehlungen für Bücher, Apps oder Routinen du hast. Ich freue mich.